
Heute werden wir sterben. Wir haben nur noch fünf Tage zu leben und müssen uns von allem verabschieden. Nur zwei Gedanken machen mich traurig. Der an meine Katzen und dass ich gerne noch geliebt worden wäre. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Alles andere ist ok, ich habe viel erlebt und gemacht und alles, was ich noch hätte machen wollen spielt alles keine große Rolle mehr im Angesicht meines Todes. Und ich begrüße den Tod als Ausweg aus der Verzweiflung und dem nie enden wollenden Schmerz. Ich bereit zu gehen. Seit Jahren.
Der Abschied ist nahe. Noch einmal schaue ich mein Leben an, meine wichtigen und unwichtigen Projekte, all die vielen kleinen und großen Gegenstände, die mich begleitet haben. Im letzten Raum meines Lebenshauses treffe ich auf die Menschen, die ich kennenlernen durfte. Nicht alle möchte ich sehen, viele sind weit weg und mit sich beschäftigt. Aber ein paar wenige möchte ich ein letztes Mal in den Arm nehmen, Großeltern, Eltern, meinen Bruder und ein paar wenige Freund_innen. Danke, dass ihr da wart, Danke dass ihr mich geliebt habt.
Dann drehe ich mich um und verlasse mein Leben. Durch den Wald bis zu meiner letzten Ruhestätte. Ich lege mich zwischen die Wurzeln eines großen Baumes und kuschle mich ein, seine Wurzeln umfangen mich und ich verabschiede mich von meinem Körper. Danke Beine fürs Tragen, Danke Lungen fürs Atmen, Danke Herz fürs Aushalten des Schmerzes und der Liebe. Ich spüre, wie ich mich auflöse, in die Erde sinke und dann in vielen Partikeln überall bin, in der Luft, bei den Sternen, in der Erde, im Meer. Ich spüre das ganze Universum, bin Teil davon und sehe das Wunder, das es ist.
Dann sagt eine Stimme, dass es noch einen Lebensfunken in mir gäbe, der nicht aufgeben möchte. Der wächst und mich ins Leben zurück holt. Ich spüre ihn nicht und will dort liegen bleiben, geborgen und friedlich in den Wurzeln des Baumes. Doch das Spiel verlangt, dass ich zurückkomme. Ich horche in meinen Körper und das einzige, das ich spüren kann ist der Druck in meinem Magen. Das Gefühl, dass ich noch nicht gehen darf, weil es noch zu viel Scheiße auf der Welt gibt, gegen die ich ankämpfen muss. Ich erhebe mich und gehe zusammen mit meinem Seelentier zurück zu meinem Lebenshaus, das nur noch aus einem einzigen Raum besteht. Der Raum ist voller Spiegel und zeigt, wer ich jetzt bin.
Mich blickt eine Amazone an mit kurzen Rock, wilden Haaren und einem Speer in der Wand. Hinter ihr schwebt ein großer Blauwal in der Luft. Ich bin zurück.